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zum “Babelprojekt” von Smith&Gill in Jeddah/Saudi Arabien
“The construction of skyscrapers that qualify as the “World’s Tallest Building” tends to coincide with major downturns in the economy” (Mark Thornton)
Bei Architekten kann die Meldung über ein Gebäude, das die Kilometergrenze sprengen wird vermutlich starke Gefühlsschwankungen auslösen. Wer je auf einem Gebäude stand, das über 300 oder 400 Meter hoch war, der weiß, dass man dort oben trotz festem Boden unter den Füßen irgendwie das Gefühl hat, man könne die Erdkrümmung schon erahnen. Ob das so ist, sei einmal dahingestellt. Das Gefühl der Erhabenheit ist aber nicht wegzudiskutieren. Außerdem ist doch auch jedes neue höchste Gebäude auch eine Hommage auf die Ingenieurskunst und auf die Menschheit, oder nicht?
Warum solch hohe Gebäude errichtet werden, welche Beweggründe hinter derartigen Projekten stehen ist meist unterschiedlich und individuell. Etwas Prestige ist allerdings schwer abzustreiten, denn an Platzmangel oder hohen Grundstückspreisen kann es in den meisten Fällen (und bei diesem wohl am wenigsten) liegen. Dass sich mit Hochhäusern nicht zwangsläufig höhere Bebauungsdichten realisieren lassen ist durchaus bekannt. Sozialabstand und Verschattung verhindern das weitesgehend und fordern auf den Grundstücksflächen normalerweise genügend Freiflächen. Der Beweggrund ist in der Regel die Darstellung von Macht und Reichtum. Das war schon immer so.
Bauten müssen finanziert werden und Großprojekte können nur realisiert werden wenn Finanziers die Chance auf Rentabilität sehen. Ich setzte hier eine gewisse Blasenbildung voraus. Das Geld muss locker genug sitzen und die Beweggründe für den Bau müssen abseits normaler Renditen stehen damit es er eine Chance auf Finanzierung hat. Nennen wir es Euphorie und Selbstüberschätzung. Rational finden solche Projekte keine Mittel.
Es muss ein unumstürzbarer Glaube an ein unendliches Wachstum vorliegen. In den letzten Jahren konnte das gut anhand der weltweiten Immobilienblasen studiert werden. Vor dem platzen der amerikanischen Immobilienblase konnten Häuser gekauft und vor Fertigstellung zu einem höheren Preis wieder verkauft werden, und das nicht nur in Amerika. Weltweit wurden Apartments, Ferienwohnungen, Einfamilienhäuser etc. als Renditeobjekte vom Plan weg gekauft und mit Gewinnen bis 100% noch vor der Fertigstellung weiter verkauft. Renditen also jenseits von marktwirtschaftlich angemessenen Preissteigerungen. Im Volksmund wird das als „Hausfrauenrally“ oder “Bauernrally” bezeichnet. Man kann sich denken warum.
Die Boom-and-Bust- Theorie besagt, dass auf jede Blase eine Schwächephase folgt. Gehen wir nun davon aus, dass neue höchste Häuser nur in Boomphasen zu finden sind, da ansonsten die Finanziers fehlen und gehen wir davon aus, dass Euphorie statt Angst herrschen muss um eine Finanzierung zu erhalten so ist der logische Schluss, dass der Bau des Gebäudes das Ende des Boom sein muss. Nur in Übertreibungen wird die Angst von der Euphorie abgelöst. Es herrscht Überinvestment, Überspekulation und Kreditexpansion.
Diese Auffassung teile ich mit Andrew Lawrence, der bereits 1999 mit dem Skyscraper Index zum Schluss kam, dass der Bau von übermäßig vielen Wolkenkratzern das Ende der Übertreibung markiert und den wirtschaftlichen Niedergang einläutet. 2005 erschienen von Mark Thomton und 2010 von Gunter Löffler fundierte Abhandlungen zum Thema mit ähnlichen Schlussfolgerungen. Nicht jeder Krise gehen neue höchste Gebäude voraus aber die Wahrscheinlichkeit ist hoch. Viel interessanter ist jedoch, dass es Boomphasen benötigt um neue Wolkenkratzer zu finanzieren.
Gunter Löffler/ Tower Buildings and Stock Market Returns >>>
MarkThornton / Skyscrapers and Business Cycles >>>
Immobilienbooms sind in der letzten Aufwärtswelle weltweit aufgetreten und teilweise noch intakt. Nordamerika, China, mittlerer Osten, Europa … Die Vernetzung der Weltwirtschaft hat auch die Skyscraper-Theorie zu einem weltweiten Phänomen werden lassen. Interessant ist, dass gerade jetzt, mitten in der Finanzkrise, die Meldung über einen weiteren Superwolkenkratzer erscheint. Die einzige Erklärung die bleibt, ist, dass die Weltwirtschaft nicht so stark eingebrochen als dass ein signifikanter Einbruch der Petrodollars in Saudi Arabien zu verzeichnen wäre. Zu folgern wäre, dass vielerorts noch sehr viel überschüssiges Geld im Umlauf ist, das im laufenden Rohstoffboom nun in bspw. Saudi Arabien akkumuliert wird und investiert werden muss. Womöglich ist zwar die Weltwirtschaft stark miteinander vernetzt, jedoch zeitlich nicht exakt miteinander getaktet.